Sven Hillenkamp: Das Ende der Liebe

In seinem Buch geht Sven Hillenkamp – wie im Untertitel angekündigt – den Gefühlen im Zeitalter unendlicher Freiheit nach.

Zwar ist das ganze Buch etwas einseitig auf diese Themenwahl ausgelegt, aber gerade darin liegt auch seine Stärke. Denn der Autor zeigt mit unzähligen Argumenten, dass wir Menschen uns auf Partnersuche im digitalen Zeitalter im Grunde in den unzähligen Datingmöglichkeiten verlieren. So sind Hillenkamp zufolge heutige Beziehungen schon zu Ende bevor sie überhaupt anfangen. Immer gäbe es noch eine andere und vielleicht bessere Möglichkeit. Die ganze Welt wird zur unendlichen Dating App, egal ob man in ein reales Café geht oder ob man surft, wir kennen das Prinzip der Suche mit den unendlichen Möglichkeiten. Und wenns heute im Café niemanden gab, gibts vielleicht morgen jemanden. Vielleicht biegt gleich der ideale Mustermensch um die Ecke…

Die Menschen fallen buchstäblich von einer Beziehung in die nächste: Sie trennen sich von Einem, entweder um mit einem Anderen eine Beziehung einzugehen oder um – erneut – mit der Unendlichkeit der Anderen eine Beziehung (namens Sehnsucht) einzugehen, eine Zeitlang mit der Unendlichkeit zusammen zu leben. Die Menschen sind nie allein. Sie haben entweder eine Beziehung mit einem oder eine Beziehung mit allen.“

Diesen Blick richtet der Autor auch in die Vergangenheit: aus seiner Sicht sind Beziehungen nie einfach ganz zu Ende sondern bleiben als weitere Möglichkeiten immer noch im Hinterkopf. Ständig geht es um die Überlegung der Optimierung: wäre ein vergangener nicht vielleicht der richtige Partner gewesen? Oder verpasst man gerade den super Partner, indem man mit einem anderen / einer anderen Partnerin beschäftigt ist? Daraus entsteht im Kopf ein Konglomerat von allen positiven Eigenschaften, die von verschiedenen Menschen auf einen vorgestellten Idealmenschen übertragen werden. Natürlich ist dieses Ideal nie in der Realität anzutreffen.

Denkt man das Dilemma der heutigen Menschen unter diesen Vorzeichen durch, wird klar, warum es so viele Singles gibt. Äusserlich sind wir frei wie selten in der Geschichte, aber wir leiden an Unentschlossenheit. Alles Besondere, von dem sich ein Mensch von der ideal imaginierten Allgemeinheit unterscheidet, irritiert.

Jeder Andere wird wahrgenommen als enttäuschend einzigartig. (…) Die Menschen entwickeln eine Über-Empfindlichkeit ausgerechnet gegen das, was den Anderen ausmacht, ihn unterscheidet von der Masse. Das, was ihn unverwechselbar macht, macht die Menschen rasend: ein Leberfleck, seine Lieblingskleider, sein sonderbarer Körper, seine sonderbare Art.

Alle besonderen Kennzeichen weisen den Anderen als Nicht-Masse, Nicht-Unendlichkeit aus, eben als einzigartig, als Einzelnen.“

Als Ausweg aus dieser Situation debattiert Hillenkamp die Rückkehr der Scheiternden zur Vernunftehe. Nicht Eltern zwingen ihre Kinder in die Vernunftehe sondern der Zeitdruck. Aber auch dort geht ihre Suche weiter, also bleibt nur das Verzweifeln angesichts der ausweglosen Situation. Die Möglichkeiten, die Freiheit zu verlieren, beschreibt Hillenkamp so: „Freiheit ist so wenig haltbar wie frische Milch. Mit der Zeit verlieren sie die Menschen entweder an die Wiederholung des Immergleichen, die unendliche, süchtige Begegnung ihrer Begegnungen und Liebesanfänge; oder sie verlieren sie an die Hoffnung, das Abwarten in Einsamkeit und Enthaltsamkeit, das Nichts; oder sie verlieren sie an eine Entscheidung – das sind die Möglichkeiten die Freiheit zu verlieren.

Und hier bringt Hillenkamp das Thema Scham auf: die Menschen durchschauen, dass sie sich ständig wiederholen und sie schämen sich dafür. Und auch die, die sich bewusst für die Monogamie entschieden haben, haben aus seiner Sicht die Tragik der Situation noch nicht begriffen: denn es gehe nicht darum, auf den Sex sondern auf die Liebe zu verzichten. Als letzte Enttäuschung nach der Technik- und Konsumenttäuschung folgt letztlich die Freiheitsenttäuschung.

Soweit alles nachvollziehbar. Was mir ganz am Ende dieses schön geschriebenen Buches fehlt, ist eine konstruktivere Sicht auf das Menschenmögliche. Ich vermute, dass gerade die Tatsache, dass nicht wenige Menschen immer achtsamer werden und dass Menschen eben nicht nur soziale Wesen sind sondern der Möglichkeit nach auch spirituelle, als Überlegung im Buch gänzlich fehlt. Hier geht es nur um Partnersuche und klar: wenn Menschen sich nur darauf fokussieren, werden sie unglücklich sein. Aber die Verbundenheit zur Natur und die Offenheit zur Welt mit all ihre Facetten, kann aus meiner Sicht eine ganz andere Liebe und Innigkeit ermöglichen, als die Paarliebe.

Kategorien Allgemein

1 Kommentar zu „Sven Hillenkamp: Das Ende der Liebe

  1. Liebe Dominique, ich finde Deine Website so sehr gut. Das senfgelbe Sofa sieht einladend aus. Auch die Aufmachung und Anordnung der Bloggt finde ich gut. Ich würde es vorläufig nicht ändern. Lieber Gruss Ruedi

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